Neurologie
Gefäßbedingte Erkrankungen des Gehirns
Hirnarterienaneurysma
Hirn[arterien]aneurysma: Hirnblutung nach Platzen oder Reißen einer Gefäßaussackung (Aneurysma) im Gehirn. Leitsymptom ist der plötzlich einsetzende Vernichtungskopfschmerz, der sich über den gesamten Kopf ausbreitet und oft von Nackensteifigkeit, Übelkeit und neurologischen Ausfallsymptomen begleitet wird. Die Hirnaneurysmablutung tritt vor allem im mittleren Lebensalter von 40–60 Jahren auf, Raucher und Bluthochdruckpatienten haben ein deutlich erhöhtes Risiko.
Ein geplatztes Hirnarterienaneurysma muss sofort im Krankenhaus neurochirurgisch oder endovaskulär behandelt werden. Die Prognose ist ernst: Ein Drittel der Patienten verstirbt innerhalb der ersten 4 Wochen nach der Hirnblutung, ein Drittel bleibt pflegebedürftig.
Symptome und Leitbeschwerden
- Plötzlich einsetzende heftigste Kopfschmerzen ("Vernichtungskopfschmerz")
- Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu
- Neurologische Auffälligkeiten, z. B. Sehen von Doppelbildern, Krampfanfälle, Lähmungen oder Sprachstörungen
- Oft Nackensteife
- Bewusstseinstrübung bis zur Bewusstlosigkeit.
Wann zum Arzt
Heute noch, wenn
- Kopfschmerzen mit leichter Nackensteife verbunden sind
Sofort den Notarzt rufen, wenn
- Kopfschmerzen in noch nie erlebter Stärke auftreten
- Nackensteife, Erbrechen oder neurologische Ausfälle hinzukommen.
Die Erkrankung
Hirnarterienaneurysmen sind Aussackungen von Hirngefäßen, vor allem von Arterien an der Hirnbasis. Sie kommen bei etwa 2 % der Allgemeinbevölkerung vor, bei älteren Menschen etwas häufiger. Aneurysmen müssen nicht zwangsläufig platzen und bluten, in vielen Fällen bleiben sie lebenslang unbemerkt.
Die meisten Aneurysmen sind ballonartig geformt, seltener ist das betroffene Gefäß auch spindelförmig erweitert. Aneurysmen können einen Durchmesser von unter 2 mm haben (Mikroaneurysma) oder als sogenannte Riesenaneurysmen über 25 mm groß werden. Je größer ein Aneurysma ist, desto höher ist die Gefahr, dass es reißt. Aneurysmen unter 7 mm gelten als klein und haben ein relativ geringes Rupturrisiko von 1 % pro Jahr.
Krankheitsentstehung und Verlauf
Hirnarterienaneurysmen entwickeln sich im Laufe des Lebens, ihre Entstehungsursache ist immer noch ungeklärt. Diskutiert werden Gefäßwandschädigungen durch Bluthochdruck, Verkalkung oder Entzündungen, die womöglich durch angeborene Schwachstellen in den Gefäßwänden begünstigt werden. Mit der Zeit weiten sich die Aussackungen immer mehr und die Gefäßwand wird immer dünner, bis sie letztendlich reißt (Aneurysmaruptur) und das Blut mit hohem Druck herausströmt. 2/3 dieser Rupturen ereignet sich spontan in Ruhe, 1/3 wird durch körperliche Anstrengungen ausgelöst.
Je nachdem, wo das Aneurysma liegt und in welche Richtung das Blut austritt, ergeben sich unterschiedliche Situationen:
- Am häufigsten fließt das Blut zwischen die Hirnhäute. Eine solche Subarachnoidalblutung (SAB) zeigt sich vor allem durch stärkste, vorher noch nie erlebte Kopfschmerzen ("Vernichtungskopfschmerz").
- Seltener strömt das Blut in das umliegende Gehirngewebe. Diese Hirnblutung (intrazerebrale Blutung) führt zu Ausfallsymptomen wie Lähmungen und Sprachstörungen und verursacht bis zu 15 % der Schlaganfälle.
Risikofaktoren
Rauchen, Alkoholmissbrauch und Bluthochdruck erhöhen das Risiko, dass ein Aneurysma wächst und schließlich zerreißt. Auch genetische Faktoren spielen offenbar eine Rolle bei der Bildung von Aneurysmen, in sogenannten Aneurysmafamilien findet sich die Erkrankung viermal so häufig wie bei der Normalbevölkerung.
Komplikationen
Hirnblutungen sind schwere Erkrankungen und können zu einer Reihe von Komplikationen führen. Die wichtigsten sind
- Hirndrucksteigerung, vor allem bei schweren Blutungen
- Hydrocephalus (Wasserkopf) aufgrund Störung der Liquorzirkulation (auch als Spätfolge durch heilungsbedingte Verklebungen möglich)
- Gefäßkrämpfe (Vasospasmen) und nachfolgende Minderdurchblutungen durch gefäßverengende Substanzen in den Blutabbauprodukten. Folge sind neurologische Auffälligkeiten wie z. B. Lähmungen oder Sprachstörungen (ischämischer Schlaganfall)
- Epileptische Anfälle
- Blutungen in den Glaskörper des Auges (prognostisch besonders ungünstig).
Warnzeichen
Nicht immer platzt das Aneurysma ohne vorhergehende Warnzeichen. Bei etwa 30–50% der Hirnaneurysmablutungen kommt es Stunden bis Tage vorher zu einer kleinen Warnblutung mit mäßigen, aber anhaltenden Kopfschmerzen und manchmal einem "etwas steifen Nacken". In einigen Fällen drücken große Aneurysmen auch auf umliegende Strukturen. Betrifft dies die Augenmuskelnerven, führt dies zu Störungen wie Augenmuskellähmungen oder Doppelbildern. Solche Beschwerden müssen umgehend abgeklärt werden, da sie eine drohende Aneurysmaruptur anzeigen können.
Diagnosesicherung
Bei Verdacht auf eine Aneurysmablutung lässt der Arzt sofort ein CT oder einen Kernspin anfertigen, auf denen eine Blutung meist sichtbar ist. Moderne Techniken ermöglichen in der gleichen Untersuchung eine Gefäßdarstellung, um die Lage des Aneurysmas festzustellen. Nur wenn keine Blutung sichtbar ist, folgt eine Lumbalpunktion mit Liquoruntersuchung zum Blutnachweis.
Differenzialdiagnosen. Plötzliche extreme Kopfschmerzen finden sich auch bei der Sinusvenenthrombose, bei anderen intrazerebralen Blutungen, bei Meningitis und dem seltenen Primären Donnerschlagkopfschmerz.
Behandlung
Alle Patienten mit einer Hirnaneurysmablutung müssen im Krankenhaus behandelt werden, meist ist eine intensivmedizinische Betreuung erforderlich.
Die Gefahr einer erneuten Blutung ist kurz nach der Erstblutung besonders groß, die Sterblichkeit bei einer solchen Zweitblutung beträgt 70–90 %. Die Aussichten des Patienten sind deshalb am besten, wenn die Neurochirurgen das Aneurysma möglichst früh ausschalten, entweder durch operatives Abklemmen (Clipping) oder durch Vorschieben einer Metallspirale in das Aneurysma über einen Gefäßkatheter, die das Aneurysma "stopfen" soll (Coiling).
- Clipping oder Coiling? Welches der beiden Verfahren zum Einsatz kommt, entscheiden Radiologe, Neurochirurg und Patient bzw. Angehörige gemeinsam. Generell lässt sich sagen, dass die Ärzte bei älteren Patienten mit weiteren Grunderkrankungen, einfachen Aneurysmen mit schmalem Hals und fehlender intrazerebraler Blutung häufig das etwas weniger invasive Coiling empfehlen. Das aufwendigere Clipping kommt dagegen eher für jüngere Patienten ohne Begleiterkrankungen, komplexe Aneurysmen mit breitem Hals sowie begleitenden intrazerebralen Blutungen in Frage.
Geht es dem Patienten sehr schlecht oder kommt er (bei leichterem Verlauf) zu spät ins Krankenhaus, warten die Ärzte mit der Operation, weil dann das Risiko eines Schlaganfalls durch einen Eingriff zu groß wäre. Denn ab dem 3. Tag verkrampfen sich die Blutgefäße im Gehirn als Reaktion auf die Blutung. Diese Verkrampfungen bilden sich zwar nach etwa zwei Wochen von selbst wieder zurück, können aber in der Zwischenzeit zu Durchblutungsstörungen führen.
Begleitende Basismaßnahmen
Unabhängig vom Zeitpunkt der Operation verordnen die Ärzte dem Patienten während der Zeit der Gefäßkrämpfe gefäßerweiternde Medikamente wie Nimodipin, um die Gehirndurchblutung zu verbessern. Um jedweden Stress zu reduzieren, erhält der Kranke ausreichend Schmerzmittel, z. B. Metamizol oder Opioide. Der Blutdruck wird so eingestellt, dass der systolische Druck 160 mmHg nicht übersteigt. Da ein Blutdruckanstieg eine erneute Blutung auslösen kann, darf der Betroffene nicht aufstehen und sich nicht anstrengen – auch beim Stuhlgang nicht, weshalb ihm Abführmittel (Laxanzien) verordnet werden.
Im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt sind, vergleichbar dem Vorgehen beim Schlaganfall, häufig weitere Rehabilitationsmaßnahmen über Monate erforderlich.
Prognose
Für leicht Erkrankte sind die Aussichten verhältnismäßig gut, für anfänglich bewusstlose Patienten aber schlecht – bei ihnen beträgt die Sterblichkeit etwa 80 %.
Ein Drittel der Patienten stirbt vor Erreichen des Krankenhauses oder innerhalb der ersten 30 Tage nach der Hirnblutung. Ein Drittel bleibt auf dauerhafte Pflege angewiesen, ein Drittel schafft es, den Alltag wieder selbstständig zu meistern, wobei häufig Dauerfolgen wie etwa Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen zurückbleiben.
Ca 10 % der Patienten mit einer Hirnaneurysmablutung entwickeln einen Hydrocephalus. Ein langfristiger Hydrozephalus benötigt ggf. eine dauerhafte Liquorableitung.
Ihr Apotheker empfiehlt
Wer ein kleines, zufällig entdecktes Hirnarterienaneurysma hat, das von den Ärzten regelmäßig kontrolliert wird, kann mit folgenden Lebensstiländerungen die Gefahr der Ruptur reduzieren.
- Rauchen aufgeben. Rauchen fördert das Wachsen eines Aneurysmas und erhöht das Risiko, dass es reißt. Eine Nikotinersatztherapie oder Medikamente können Sie beim Rauchstopp unterstützen. Tipps zur Raucherentwöhnung finden Sie im Beitrag Nikotinabhängigkeit.
- Bluthochdruck behandeln. Hoher Blutdruck schadet den Gefäßen. Nehmen Sie Ihre Blutdrucksenker daher konsequent ein und lassen Sie die Blutdruckwerte regelmäßig kontrollieren.
- Weniger Alkohol trinken. Alkoholmissbrauch gehört wie das Rauchen und Bluthochdruck zu den Risikofaktoren für eine Aneurysmablutung. Als maßvoller Alkoholkonsum gilt bei Männern pro Tag nicht mehr als ca. 20 g Alkohol (das entspricht etwa 0,5 l Bier oder 0,2 l Wein), bei Frauen nicht mehr als ca. 10 g (also etwa 0,25 l Bier oder 0,1 l Wein).
- Aneurysma überwachen lassen. Nehmen Sie die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen beim Arzt wahr, damit dieser frühzeitig erkennt, ob sich die Aussackung verändert.
Hirnvenenthrombose, Hirnsinusthrombose, Sinusvenenthrombose
Hirnvenenthrombose,Hirnsinusthrombose, Sinusvenenthrombose: Verschluss einer Gehirnvene oder eines großen venösen Blutleiters (Sinus) im Gehirn durch ein Blutgerinnsel. Leitsymptome sind langdauernde oder wiederholt auftretende Kopfschmerzen, häufig begleitet von verschiedenen Beschwerden, die mitunter einem Schlaganfall ähneln (Lähmungen, Krampfanfälle). Der thrombotische Verschluss entsteht entweder wegen einer erhöhten Gerinnungsneigung des Blutes (zum Beispiel durch Hormontherapie oder Blutgerinnungsstörungen) oder als Komplikation einer eitrigen Entzündung im Kopfbereich. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, der Erkrankungsgipfel liegt im 3. und 4. Lebensjahrzehnt.
Patienten mit einer Hirnvenen- oder Hirnsinusthrombose müssen stationär behandelt werden, z. B. in einer Stroke Unit. Grundpfeiler der Therapie ist die Hemmung der Blutgerinnung und, bei entzündlicher Ursache, die Gabe von Antibiotika. Sofern keine Komplikationen auftreten, sind die Heilungsaussichten gut.
Symptome und Leitbeschwerden
- Plötzlich auftretende oder chronische Kopfschmerzen
- Krampfanfälle
- Neurologische Ausfälle, z. B. Lähmungen oder Empfindungsstörungen wie Taubheitsgefühl
- Übelkeit und Erbrechen
- Sehstörungen
- Bewusstseinstrübung.
Wann zum Arzt
In den nächsten Tagen bei
- länger anhaltenden, mäßig starken Kopfschmerzen
Sofort, wenn
- die Kopfschmerzen schnell zunehmen
- wenn Übelkeit und Erbrechen hinzukommen
- neurologische Ausfälle auftreten.
Die Erkrankung
Das Blut aus dem Gehirn wird über Gehirnvenen und über in der harten Hirnhaut verlaufende Blutleiter (Sinus) zurück zum Herzen geleitet. Wie andere Blutgefäße können auch die Venen und Sinus im Gehirn von einem Verschluss (Thrombose) betroffen sein.
Wenn das Blut nicht abfließen kann, staut es sich zurück. Durch den erhöhten Druck im Bereich vor dem Abflusshindernis kommt es zu einem Austritt von Flüssigkeit in das Gehirngewebe (Hirnödem) und der Hirndruck steigt. Häufig führt der erhöhte Druck in den betroffenen Gefäßen auch zu einer Stauungsblutung.
Daneben droht auch die Minderdurchblutung (Ischämie) von Hirnabschnitten. Sie entsteht dadurch, dass die kleinsten arteriellen Gefäße, die Kapillaren, von dem erhöhten Druck im Gehirn regelrecht "abgedrückt" werden und das Blut nicht mehr durch sie hindurchfließen kann.
Je nach Ort der Thrombose unterscheiden die Ärzte folgende Formen
- Sinusthrombose (isolierter Verschluss eines oder mehrerer Blutleiter)
- Hirnvenenthrombose (isolierter Verschluss eines oder mehrere Hirnvenen)
- Sinusvenenthrombose (kombinierte Thrombose von Venen und Sinus.
Ursachen und Risikofaktoren
In vielen Fällen lässt sich die Ursache für Hirnvenen- und Hirnsinusthrombosen nicht finden. Manchmal stecken schwere, sich ausbreitende Entzündungen aus dem Ohr- oder Gesichtsbereich 29m40(septische Form) dahinter. Häufiger jedoch ist eine Thrombose Folge einer bis dahin nicht bekannten verstärkten Blutgerinnung oder von Erkrankungen, die das Blut stärker gerinnen lassen als normal (blande Form). Auch weibliche Geschlechtshormone erhöhen die Blutgerinnung. Deshalb haben Schwangere und Frauen, die die "Pille" oder eine Hormonersatztherapie einnehmen, ein erhöhtes Risiko für Thrombosen, insbesondere wenn sie gleichzeitig rauchen.
In manchen Fällen führen Bluterkrankungen zu Thrombosen im Gehirn. So kommt es beispielsweise zu thrombosefördernden Verklumpungen und Blutflussstörungen, wenn die roten Blutkörperchen wie bei der Polyzythämia vera vermehrt oder, wie bei der Sichelzellenanämie, verformt sind.
Eine seltene Ursache von Sinusvenenthrombosen ist die Impfung gegen Sars-CoV-2 mit einem Vektorimpfstoff. Betroffen sind hier vor allem Frauen unter 60 Jahren. Ursächlich sind hier vermutlich durch die Impfung entstehende Antikörper gegen Blutplättchen.
Diagnosesicherung
Bei Verdacht auf eine Hirnvenen- oder Hirnsinusthrombose lässt der Arzt unverzüglich eine bildgebende Diagnostik durchführen. Am besten geeignet ist dazu eine Kernspinuntersuchung der Hirngefäße mit Kontrastmittel, alternativ kann auch eine spezielle CT-Venographie eingesetzt werden. Typisch ist bei beiden Untersuchungen die Kontrastmittelaussparung im betroffenen Gefäß.
Ist eine Sinusvenenthrombose nachgewiesen, stehen weitere Untersuchungen zur Ursachenforschung an. Dazu gehören beispielsweise
- bei Verdacht auf eine Blutgerinnungsstörung die Untersuchung auf Blutgerinnungsfaktoren, APC-Resistenz oder Thrombophilie
- bei Verdacht auf eine entzündliche Ursache eine Erregerdiagnostik in Blutkultur, Liquor oder Abstrichen sowie die Untersuchung des Patienten durch einen HNO-Arzt oder Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, um mögliche Entzündungsherde zu finden.
Differenzialdiagnosen. Kopfschmerzen in Verbindung mit Krämpfen oder Ausfallerscheinungen wie z. B. Lähmungen finden sich auch beim Schlaganfall, bei der Hirnarterienaneurysmablutung, bei Gehirntumoren und bei einer Herpes-Enzephalitis.
Behandlung
Akuttherapie
Antikoagulation. Um die Ausdehnung der Thrombose bzw. einen weiteren thrombotischen Gefäßverschluss zu verhindern, hemmen die Ärzte die Blutgerinnung zunächst mit Heparin, entweder als Dauerinfusion über einen Perfusor oder mit regelmäßigen Spritzen unter die Haut.
Antibiotika. Liegt der Thrombose eine Entzündung zugrunde, bekommt der Patient zusätzlich intravenös Antibiotika. Falls sich ein Entzündungsherd gefunden hat, muss dieser beseitigt werden. Typisches Beispiel dafür ist das Vorgehen bei einer schweren Mastoiditis, also einer Entzündung des Warzenfortsatzes (Processus mastoideus) des knöchernen Schädels. In diesem Fall wird eine Mastoidektomie durchgeführt, also die betroffene Schleimhaut entfernt.
Weitere Maßnahmen. Neben der Thrombosetherapie stabilisieren die Ärzte den Patienten, behandeln Grunderkrankungen und reagieren auf eventuelle Komplikationen.
- Falls eine Bluterkrankung wie die Sichelzellanämie oder eine Polyzythämia vera vorliegt, wird diese entsprechend behandelt, vom Patienten eingenommene Hormone ("Pille", Hormonersatztherapie) werden abgesetzt.
- Zur Vorbeugung einer Hirndruckerhöhung wird der Patient mit dem Oberkörper hochgelagert, in manchen Fällen verabreichen die Ärzte auch Diuretika.
- Gegen Schmerzen verordnen die Ärzte zumeist Paracetamol oder Opioide (Acetylsalicylsäure (ASS) ist wegen seiner blutverdünnenden Wirkung nicht geeignet!).
- Bei epileptischen Krampfanfällen kommen Antikonvulsiva, also krampfhemmende Medikamente, zum Einsatz.
- Bei großen Stauungsblutungen im Gehirn ist eine Kraniektomie erforderlich. Dabei entfernen die Ärzte einen Teil der Schädeldecke, um den Druck im Gehirn zu senken.
- Einen gesteigerten Druck im Liquorkanal senken die Ärzte mit wiederholten Lumbalpunktionen, evtl legen sie auch einen ventrikuloperitonealen Shunt (dabei wird Liquorflüssigkeit über einen kleinen Schlauch unter der Haut aus dem Ventrikel in die Bauchhöhle abgeleitet).
- Wenn die Thrombose sehr ausgedehnt ist, die oben genannten Verfahren erfolglos sind oder sich der Zustand verschlechtert, greifen die Ärzte manchmal auf die endovaskuläre Therapie zurück. Dabei schieben sie einen Katheter bis zum Thrombus und versuchen, diesen mit Fibrinolytika aufzulösen.
Folgetherapie
Sobald der Patient klinisch stabil ist, stellen die Ärzte die Blutgerinnungstherapie auf Tabletten um. Diese sogenannte "orale Antikoagulation" ist in der Regel 3–12 Monate, bei schweren Thrombosen auch dauerhaft notwendig. Wirkstoffe dafür sind Vitamin-K-Antagonisten (Phenprocoumon wie z. B. Marcumar®). In Einzelfällen verordnen die Ärzte auch Antikoagulanzien aus der Gruppe der NOAK, der neuen oralen Antikoagulanzien wie etwa Apixaban (Eliquis®) oder Dabigatran (Pradaxa®). Sie sind für die Behandlung der Venenthrombose im Gehirn noch nicht zugelassen, ihre Verwendung erfolgt Off-Label.
Ebenso wichtig wie die Antikoagulation ist das Reduzieren von Risikofaktoren. Dazu gehören das Absetzen der "Pille", der Rauchstopp und das Behandeln von Grunderkrankungen, die zu einer verstärkten Blutgerinnung führen.
Prognose
Bei einem Großteil der Patienten wird die Thrombose durch die Therapie wieder aufgelöst. Bei ca. 10 % der Erkrankten bleiben Spätfolgen, wie z. B. neurologische Ausfallserscheinungen bestehen. Weitere 10 % sterben an der Sinusvenenthrombose, meist wenn zusätzlich Blutungen, Muskellähmungen oder Bewusstseinsverlust auftreten.
Ihr Apotheker empfiehlt
Wenn Ihnen der Arzt eine gerinnungshemmende Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten verschrieben hat, müssen Sie auf folgende Dinge achten:
- Regelmäßig Gerinnung testen. Halten Sie sich an die Einnahmevorschriften der Blutgerinnungshemmer und nehmen Sie die erforderlichen Kontrollmessungen bei Ihrem Arzt wahr. Es gibt auch Messgeräte, mit denen Sie Ihre Gerinnungswerte selbst bestimmen können, z. B. das Coaguchek®-Gerät. Dazu wird in der Regel einmal wöchentlich ein Tropfen Blut aus der Fingerkuppe entnommen und auf den Teststreifen aufgetragen.
- Ausweis bereithalten. Tragen Sie Ihren Blutgerinnungs-Hemmer-Ausweis immer bei sich. Informieren Sie alle Ärzte und Zahnärzte darüber, dass Sie einen Vitamin-K-Antagonisten einnehmen. Zum einen sind bestimmte Eingriffe, darunter auch so einfache wie Spritzen in den Muskel, dann nicht möglich. Zum anderen gibt es zahlreiche Wechselwirkungen mit – teils frei verkäuflichen – Medikamenten, z. B. Aspirin®, das die Hemmung der Blutgerinnung verstärkt.
- Vorsicht mit Essen und Trinken. Vorsicht beim Konsum von Alkoholika und dem Verzehr größerer Mengen Ingwer oder Goji-Beeren, sie können die gerinnungshemmende Wirkung von Phenprocoumon verstärken. Wie stark die Tabletten wirken, ist auch davon abhängig, wie viel Vitamin K Sie mit dem Essen zu sich nehmen. Um Wirkungsschwankungen zu vermeiden, sollten Sie die besonders Vitamin-K-haltigen grünen Gemüse und Salate (einschließlich Kohl) stets in etwa konstanten Portionen verzehren. Eine besondere Diät ist aber nicht notwendig.
- Bei Kinderwunsch umsteigen. Phenprocoumon führt bei Einnahme während der Schwangerschaft zu Fehlbildungen des Embryos. Frauen müssen deshalb zuverlässig verhüten und bei Kinderwunsch rechtzeitig auf Heparin umsteigen.
Prävention
Nach einer überstanden Hirnvenen- oder Sinusthrombose gilt es, das Risiko einer erneuten Thrombose zu minimieren. Die beiden wichtigsten Maßnahmen dafür sind
- Konsequenter Rauchstopp. Hilfreiche Informationen zum Thema Raucherentwöhnung finden Sie unter Nikotinabhängigkeit.
- Vorsicht mit Hormonen. Wenn Sie bisher mit der "Pille" oder anderen hormonhaltigen Verhütungsmitteln wie z. B. einer hormonhaltigen Spirale verhütet haben, müssen Sie diese absetzen. Lassen Sie sich von Ihrem Frauenarzt beraten, welche Empfängnisverhütung für Sie richtig ist.
Weiterführende Informationen
Wissenswerte Information zum Thema dauerhafte Blutgerinnungshemmung finden sich auf der Website der Herzstiftung: https://www.herzstiftung.de/
Hilfsangebote für einen geplanten Rauchstopp finden Sie auf der Website des Deutschen Krebsforschungszentrums: https://www.dkfz.de/de/rauchertelefon/Tipps_und_Tricks_Rauchstopp.html
Schlaganfall
Schlaganfall (Hirnschlag, Hirninfarkt, Apoplexie): Plötzliche Durchblutungsstörung eines Gehirnabschnitts, die typischerweise mit schweren neurologischen Ausfällen wie Sprachstörungen oder Lähmungen einhergeht. Ursache dieser Durchblutungsstörungen sind vor allem arteriosklerotische Veränderungen der Hirngefäße. Pro Jahr treten in Deutschland etwa 270.000 Schlaganfälle auf. Meist sind über 70-Jährige betroffen, Schlaganfälle können aber auch bei Jüngeren vorkommen, z. B. infolge eines nicht behandelten Bluthochdrucks.
Der Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Innerhalb von vier Wochen ist einer von fünf Patienten verstorben, und von den Überlebenden bleibt jeder zweite dauerhaft pflegebedürftig. Damit ist der Schlaganfall auch die häufigste Ursache bleibender Behinderungen im Erwachsenenalter.
Um die Überlebenschancen zu verbessern und so viel Hirngewebe wie möglich zu retten, ist bei einem Schlaganfall so schnell wie möglich eine Intensivtherapie einzuleiten, je nach Ursache kombiniert mit einer Lysetherapie oder der Entfernung eines Thrombus (Thrombektomie) durch den Neuroradiologen. Nach überlebtem Schlaganfall erhalten die Patienten zur Vorbeugung weiterer Ereignisse meist eine Dauertherapie mit einem Blutverdünner oder einem Thrombozytenaggregationshemmer.
Symptome und Leitbeschwerden
Je nachdem, welche Hirnregion betroffen ist, kommt es zu:
- Lähmungen an einer Körperhälfte (z. B. des rechten Arms, Beins und/oder der rechten Gesichtshälfte z. B. in Form eines hängenden Mundwinkels)
- Empfindungsstörungen an einer Körperhälfte, etwa Kribbel- oder Taubheitsgefühl oder Nichtspüren von Berührungen
- Sehstörungen (z. B. Doppelbilder, Verschwommensehen, einseitiger Sehverlust)
- Gleichgewichtsstörungen (z. B. Schwindel, "Umfallen" beim Versuch zu sitzen, schwankendes Gehen "wie betrunken")
- Erschwertes oder undeutliches Sprechen (z. B. Silbenverdrehungen, "Wortsalat") bis hin zur Unfähigkeit zu sprechen
- Schwierigkeiten, Gesprochenes zu verstehen
- Verlust der Blasen- und/oder Darmkontrolle
- Nichterkennen und Ignorieren von Körperteilen, z. B. des gelähmten Arms
- Bewusstseinsstörungen, z. B. Verwirrtheit oder Erregtheit, aber auch Benommenheit bis hin zu Bewusstlosigkeit
- Häufig Beschwerdebeginn am frühen Morgen, z. B. nach dem Aufstehen
- Meist plötzliches Einsetzen der Ausfälle, seltener über Stunden fortschreitend.
Wann zum Arzt
Sofort zum Hausarzt oder Internisten, wenn
- die aufgeführten Beschwerden auftreten, auch wenn sie nach einigen Minuten wieder verschwunden sind.
- Hinweis: Der Schlaganfall ist ein Notfall! Eine Behandlung innerhalb der ersten Stunden ist essenziell wichtig für die Langzeitprognose.
Die Erkrankung
Ist die Gehirndurchblutung beeinträchtigt, werden die empfindlichen Nervenzellen schon nach wenigen Minuten in ihrer Funktion gestört. Wenn nur ein ganz kleines Gebiet des Gehirns betroffen ist, kann dies unbemerkt bleiben. In der Regel zeigen sich jedoch Ausfälle wie z. B. Lähmungen oder Sprachstörungen.
Normalisiert sich die Durchblutung schnell wieder, erholen sich die Nervenzellen und die Ausfälle bilden sich völlig zurück. Dauert die Durchblutungsstörung aber länger an, so sterben die Nervenzellen ab. Dann bleiben fast immer Spätfolgen bestehen.
Zwei häufige Ursachen
Der "Schlaganfall" ist zunächst ein Sammelbegriff für alle plötzlichen Durchblutungsstörungen des Gehirns, die zu länger dauernden Ausfällen führen. Hinter diesen folgenschweren Durchblutungsstörungen können sich viele Ursachen und Erkrankungen verbergen, die sich in zwei Gruppen einteilen lassen: Der Schlaganfall aufgrund eines Gefäßverschlusses und der Schlaganfall infolge einer Hirnblutung.
Ein Gefäßverschluss ist in etwa 85 % der Fälle die Ursache eines Schlaganfalls. Das Gehirngewebe "hinter" dem verstopften Gefäß bekommt kein Blut und damit keinen Sauerstoff mehr und stirbt ab. Man spricht dann auch von einem Hirninfarkt (Hirnischämie, ischämischer Schlaganfall).
- Häufigste Ursache eines solchen Gefäßverschlusses ist die Gefäßverkalkung (Arteriosklerose). Die arteriosklerotischen Ablagerungen engen eine Halsschlagader oder ein Gefäß innerhalb des Gehirns immer mehr ein, bis ein winziges Gerinnsel ausreicht, um einen kompletten Verschluss hervorzurufen. Doch selbst wenn die Ablagerungen das Gefäß nicht völlig verschließen, besteht die Gefahr eines Schlaganfalls: Abgelöste Teilchen können mit dem Blut in kleinere Gehirngefäße gelangen und diese schließlich verstopfen (Hirnembolie).
- Zweithäufigste Ursache sind Blutgerinnsel im Herzen, z. B. infolge eines Vorhofflimmerns, von denen Teile mit dem Blutstrom verschleppt werden und ein Gehirngefäß verlegen.
- Seltene Ursachen sind z. B. Gefäßentzündungen oder eine gesteigerte Neigung des Bluts zu gerinnen, sodass das Blut ohne besondere Ursache verklumpt. Diese Ursachen spielen vor allem bei jüngeren Menschen eine Rolle.
- Bei etwa 20–25 % der ischämischen Schlaganfälle bleibt trotz aufwendiger Diagnostik die Ursache unklar.
Bei den übrigen 15 % der Schlaganfallpatienten ist eine Blutung in das Gehirn Ursache des Schlaganfalls. Dies wird als Hirnblutung (intrazerebrale Blutung, Hirnmassenblutung) bezeichnet. Das Gehirn wird durch die Blutung zusammengedrückt und geschädigt. Häufig entsteht eine solche Blutung, wenn ein durch Bluthochdruck vorgeschädigtes Gefäß platzt (hypertone Massenblutung), seltener ist eine angeborene Gefäßwandschwäche die Ursache.
Warnung: TIA (Transitorische ischämische Attacke)
Eine kurzzeitige Durchblutungsstörung des Gehirns (ohne Hinweise auf einen kompletten Hirninfarkt) mit vorübergehenden neurologischen Ausfällen nennen die Ärzte TIA, umgangssprachlich auch als "Schlägelchen" bezeichnet. Dabei kommt es z. B. zu kurz andauernden Lähmungen, Gefühlsstörungen (z. B. eines Arms) oder Sehstörungen. Meist bestehen diese Symptome nur einige Minuten und verschwinden dann wieder. Trotz der spontanen Besserung ist die TIA häufig ein Vorbote für einen Schlaganfall, vor allem in den ersten Tagen danach ist das Risiko besonders hoch. Daher sollte die Ursache möglichst schnell, optimalerweise noch am gleichen Tag geklärt werden, um den drohenden Schlaganfall rechtzeitig abzuwenden.
Risikofaktoren
Ein Bluthochdruck erhöht das Risiko für einen Schlaganfall um das 4–5-Fache, Vorhofflimmern um das bis zu 15-Fache. Weitere wichtige Risikofaktoren sind
- Diabetes, Fettstoffwechselstörungen
- Rauchen, Alkoholmissbrauch und Kokainmissbrauch
- Bewegungsmangel
- Adipositas
- Stress und Depressionen
- Gerinnungsstörungen
- Schwangerschaft, Einnahme der "Pille", Hormonersatztherapie.
Diagnosesicherung
Time is Brain – Zeit ist Gehirn. Da die Gehirnzellen sehr empfindlich sind, sterben sie schon nach kurzer Zeit ohne Sauerstoffversorgung ab. Daher gilt es bei Verdacht auf Schlaganfall, die Diagnostik möglichst schnell voranzutreiben. Optimalerweise beginnt sie schon auf dem Weg in das Krankenhaus. Der Patient wird an einen Überwachungsmonitor angeschlossen, um Atmung und Kreislauf zu kontrollieren und ein EKG dient der Feststellung von Herzrhythmusstörungen.
In der Klinik folgen Blutentnahmen zur Einschätzung der Stoffwechsellage und zum Ausschluss anderer Ursachen (siehe unten, Differenzialdiagnosen). Erfahrene Neurologen führen eine fokussierte Untersuchung auf verschiedenste neurologische Ausfälle und Auffälligkeiten durch. Zur schnellen orientierenden Einschätzung eignen sich die Prüfung der Gesichtsmotorik (Zähnefletschen, Wangen aufblasen, Lächeln, Stirnrunzeln), der Arm- und Beinmotorik und die Prüfung von Sprachverständnis und Sprechen.
Schnellstmöglich, spätestens aber 25 Minuten nach Aufnahme des Patienten, wird eine Computertomografie oder alternativ eine Kernspintomographie des Schädels durchgeführt. Ist eine Hirnblutung als Ursache ausgeschlossen, beginnen die Ärzte sofort mit der Behandlung (siehe unten).
Differenzialdiagnosen. Bei bis zu 30 % aller Verdachtsfälle auf Schlaganfall liegen den plötzlichen neurologischen Ausfällen andere Ursachen zugrunde. Die wichtigsten davon sind Unterzuckerung (Hypoglykämie), Alkoholvergiftung, Nervenschädigungen, Migräne mit Aura, epileptische Anfälle und die Sepsis.
Behandlung
Intensivmedizinische Soforttherapie
Je schneller die Gehirndurchblutung normalisiert wird, desto größer sind die Überlebenschancen. Gleiches gilt für die Rückbildung der neurologischen Ausfälle, auch bei ausgeprägten Symptomen. Das Zeitfenster für mögliche Behandlungen ist allerdings klein, es schließt sich schon 4,5 Stunden nach Beschwerdebeginn.
Grundpfeiler der medizinischen Behandlung ist eine optimale Einstellung der Herz-Kreislauf-Situation, der Atemfunktion und des Stoffwechsels. Ein ausreichender Blutdruck und die zusätzliche Sauerstoffgabe über einen Nasenschlauch können für geschädigte, aber noch nicht abgestorbene Nervenzellen den Unterschied zwischen Überleben oder Untergang und für den Patienten den Unterschied zwischen Selbstständigkeit oder Hilfsbedürftigkeit im Alltag bedeuten. Ein hoher Blutzucker und Fieber sind ungünstig und müssen behandelt werden. Der Flüssigkeitshaushalt wird mittels Infusionen reguliert.
Wiederherstellung der Durchblutung beim Hirninfarkt
Sind eine Hirnblutung und weitere Kontraindikationen ausgeschlossen, versuchen die Ärzte, die Durchblutung in den minderdurchbluteten Hirngebieten wiederherzustellen. Dazu gibt es derzeit zwei Verfahren
- Thrombolysetherapie (Lysetherapie)
- Mechanische Thrombektomie.
Bei der Lysetherapie versucht man, das Blutgerinnsel mithilfe von Medikamenten aufzulösen. Dafür werden Fibrinolytika wie Alteplase (z. B. Actilyse®) über eine Infusion verabreicht. Eine solche Therapie ist allerdings nur innerhalb der ersten 4,5 Stunden nach Beschwerdebeginn erfolgversprechend, nur in Einzelfällen wird sie auch später eingesetzt. Die Lyse ist auch mit Risiken behaftet, vor allem steigt die Gefahr von Hirnblutungen. Außerdem darf sie in zahlreichen Situationen nicht durchgeführt werden, z. B. bei erhöhter Blutungsgefahr (frisches Magengeschwür, Speiseröhrenkrampfadern), Schwangerschaft, nach vorangegangenen großen Operationen, bei nicht kontrollierbarem Bluthochdruck oder gestörter Blutgerinnung. Aus diesem Grund wird die Lyse selbst bei frühzeitiger Krankenhausaufnahme nur bei etwa 20 % der Hirninfarktpatienten angewendet.
Ist eines der großen hirnversorgenden Gefäße durch einen Thrombus verschlossen, erwägen die Ärzte eine Thrombektomie. Dazu schieben sie über die große Oberschenkelarterie zunächst einen dünnen Führungsdraht bis vor den Gefäßverschluss und stellen Gefäße und Engstelle mithilfe von Kontrastmittel röntgenologisch dar. Danach wird ein spezieller kleiner Katheter eingeführt und damit der Thrombus entfernt. Das Verfahren birgt einige Risiken: So können Gefäße geschädigt und dadurch Blutungen ausgelöst, Gerinnselbrocken verschleppt oder Gefäßverkrampfungen verursacht werden. Auch für diese Therapie existiert ein Zeitfenster, typischerweise bis zu 6 Stunden nach Beginn der Beschwerden, im Einzelfall auch länger. Aufgrund dieses Zeitfensters und der oben genannten Kontraindikationen sind nur ungefähr 5–10 % der Schlaganfallpatienten für eine Thrombektomie geeignet.
Für Patienten, bei denen weder eine Lyse noch eine Thrombektomie in Frage kommt, bleibt nur die intensivmedizinische, symptomatische Versorgung, um den Zustand zu stabilisieren und Komplikationen zu vermeiden. Daneben startet bei diesen wie auch bei allen anderen Schlaganfallpatienten so früh wie möglich die frühzeitige Rehabilitation (siehe unten).
Therapie bei Hirnblutung
Bei einer Hirnblutung sind in aller Regel keine speziellen Behandlungen möglich. Eine operative Entfernung des Bluts aus dem Gehirn klingt zwar logisch, hat sich aber nur für bestimmte Blutungen als vorteilhaft erwiesen (z. B. beim akuten Subduralhämatom). Ob gerinnungsfördernde Medikamente die Blutung schnell zum Stillstand bringen können, wird derzeit untersucht. Grundpfeiler der Therapie sind deshalb wie beim Hirninfarkt die intensivmedizinische Stabilisierung und Überwachung des Patienten, die Vermeidung bzw. Behandlung von Komplikationen und, sofern möglich, die Frührehabilitation.
Sondertext: Stroke Unit – das Beste für die ersten Behandlungstage.
Behandlung von Komplikationen
Treten Komplikationen auf, sollten diese so früh wie möglich behandelt werden. In den ersten Tagen kann das Gehirngewebe stark anschwellen. Die daraus resultierende Hirndrucksteigerung schädigt das Gehirn zusätzlich und muss deshalb umgehend behandelt werden, z. B. durch hirndrucksenkende Medikamente, Ableitung des Hirnwassers über eine Drainage nach außen oder eine operative Entfernung des Schädeldeckels, damit das Gehirn die Möglichkeit hat, sich auszudehnen.
Bei Blasenfunktionsstörungen wird zunächst ein Blasendauerkatheter gelegt, Schluck- bzw. Bewusstseinsstörungen machen eine Sondenernährung erforderlich.
Entscheidend für die Prognose ist zudem, durch die Bettlägerigkeit entstehenden Risiken entgegenzuwirken. Dazu zählen die medikamentöse Thromboseprophylaxe sowie Vorkehrungen gegen Wundliegen und Lungenentzündung.
Frühe rehabilitative Behandlung
Um noch vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und Folgeschäden zu reduzieren, kommen schon während der Akuttherapie Rehabilitationsmaßnahmen zum Einsatz. Dazu gehört neben Physio- oder Ergotherapie und logopädischen Verfahren auch das Bobath-Konzept. Dieses wurde speziell für Patienten mit gestörter Funktion, Bewegung und Haltungskontrolle bei Schädigung des Zentralnervensystems entwickelt.
Wie lange ein Patient in einer Stroke Unit oder einem Krankenhaus verbleibt, ist unterschiedlich. Nach der Akuttherapie schließt sich meist eine 4–6-wöchige Rehabilitation in speziell dafür eingerichteten Kliniken an.
Sekundärprophylaxe gegen erneute Ereignisse
Menschen, die schon eine TIA oder einen Schlaganfall hatten, haben ein hohes Risiko für eine erneute Durchblutungsstörung. Je nach Grunderkrankung ist deshalb eine sogenannte Sekundärprophylaxe durch Hemmung der Blutgerinnung erforderlich.
- Patienten mit Vorhofflimmern erhalten eine therapeutische Antikoagulation mit Kumarinen (z. B. Marcumar®) oder direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK), wie z. B. Dabigatran (z. B. Pradaxa®) oder Apixaban (Eliquis®).
- Patienten ohne Vorhofflimmern erhalten auf Dauer ein Medikament, das das Verklumpen der Blutplättchen und damit die Gerinnselbildung hemmt, meist Acetylsalicylsäure (z. B. Aspirin 100®), bei hohem Risiko vorübergehend kombiniert mit Clopidogrel (z.B. Plavix®).
Daneben werden erhöhte Blutfettwerte und Blutzuckerspiegel sowie Bluthochdruck medikamentös behandelt. Außerdem gilt es, weitere Risikofaktoren wie z. B. Übergewicht nachhaltig zu bekämpfen.
Prognose
Die Prognose hängt bei einem Schlaganfall entscheidend davon ab, welches Hirngebiet betroffen ist, wie groß der Schaden ist und wie schnell die Durchblutung wiederhergestellt werden kann. Langfristig ist ebenso bedeutend, wie gut die Rehabilitation auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten ist und wie gut dieser mitarbeitet.
Generell haben junge Patienten mit geringen Ausfallerscheinungen eine größere Chance, dass sich die Ausfallerscheinungen wieder rückbilden.
Ihr Apotheker empfiehlt
Vorsorge und Nachsorge
Das Auschalten bzw. Minimieren von Risikofaktoren ist entscheidend für die Vorbeugung sowohl bei (Noch-)Gesunden als auch bei Menschen, die bereits einen Schlaganfall oder eine TIA hatten. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören:
- Blutdruck optimieren. Bluthochdruck ist ein wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung von Gefäßverkalkungen – und das nicht nur im Gehirn! Durch regelmäßige körperliche Aktivität kann der Blutdruck positiv beeinflusst werden. Reicht dies nicht aus, besprechen Sie das Problem mit Ihrem Hausarzt. Leiden Sie bereits unter Bluthochdruck, nehmen Sie Ihre Medikamente wie verordnet ein.
- Blutzucker kontrollieren. Auch ein Diabetes führt zu diversen Gefäßveränderungen, daher sollte ein erhöhter Blutzucker gesenkt und eine antidiabetische Therapie konsequent eingehalten werden. Ein weiterer wichtiger Schritt ist eine ausgewogene und gesunde Ernährung.
- Rauchen aufgeben. Rauchen schädigt nicht nur die Lunge, sondern auch die Gefäße. Versuchen Sie den Nikotinkonsum Schritt für Schritt einzuschränken, bis Sie das Rauchen komplett aufgeben. Eine Nikotinersatztherapie oder Medikamente können Sie beim Rauchstopp unterstützen. Tipps zur Raucherentwöhnung finden Sie im Beitrag Nikotinabhängigkeit.
- Blutfette optimieren: Hauptbestandteil von Gefäßplaques sind Fette. Um ein weiteres Wachsen (bis hin zum Gefäßverschluss) zu verhindern, sollten die Blutfette (vor allem das LDL-Cholesterin) verbessert werden. Auch hier ist eine gesunde Ernährung sowie körperliche Aktivität der wichtigste Schritt. Eine medikamentöse Therapie empfiehlt bei Bedarf Ihr Hausarzt.
- Gewicht halten oder reduzieren. Übergewicht ist ein weiterer Risikofaktor, der die Gefäße schädigt. Regelmäßige Bewegung und Sport tragen zur Gewichtsreduktion bei und senken effektiv das Schlaganfallrisiko. Hilfreiche Tipps und Informationen zum Thema Abnehmen finden Sie im Beitrag Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen.
- Spazierengehen. Eine Studie hat ergeben, dass bei Frauen über 45 Jahren regelmäßige Spaziergänge von insgesamt mindestens zwei Stunden pro Woche das Schlaganfall-Risiko um 30 Prozent reduzieren.
- Weniger Alkohol trinken. Wer seine Gefäße schützen will, muss nicht vollständig auf Alkohol verzichten. Gegen einen maßvollen Alkoholkonsum ist nichts einzuwenden – der ist aber geringer als die meisten vermuten würden. So sollten Männer pro Tag nicht mehr als ca. 20 g Alkohol zu sich nehmen (das entspricht etwa 0,5 l Bier oder 0,2 l Wein), Frauen nicht mehr als ca. 10 g (also etwa 0,25 l Bier oder 0,1 l Wein).
Medikamente zur Prävention
Medikamente werden zur Schlaganfallvorbeugung bei Gesunden nicht empfohlen. Anders ist es bei Menschen mit bereits bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Für Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit wird die Einnahme eines Statins empfohlen, das über seine blutfettsenkende Wirkung hinaus einen günstigen Effekt auf die Gefäße zu haben scheint. Auch niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (z. B. Aspirin 100®) ist empfehlenswert – sie verhindert das Verklumpen von Blutplättchen und damit die Gerinnselbildung in Gefäßen. Bei Vorhofflimmern, Ausbuchtungen der Herzwand (Aneurysmen) oder bestimmten Klappenfehlern beugt eine medikamentöse Gerinnungshemmung (z. B. mit Eliquis®) der Gerinnselbildung im Herzen und damit einem Schlaganfall vor.
Eine vorbeugende Operation oder Aufdehnung von Verengungen der Halsschlagader ist nur sinnvoll, wenn diese stark ausgeprägt sind, rasch fortschreiten oder bereits zu einer TIA geführt haben. Bei leichten oder mäßigen Verengungen und Beschwerdefreiheit ist das Eingriffsrisiko höher als das Schlaganfallrisiko.
Weiterführende Informationen
- Adressen von Selbsthilfegruppen und Stroke-Units sowie Broschüren rund um das Thema Schlaganfall finden Sie auf der Website der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe unter www.schlaganfall-hilfe.de/de/start/
- www.kompetenznetz-schlaganfall.de – Kompetenznetz Schlaganfall der Charité, Berlin: Aktuelle und ausführliche Informationen.